„Es ist noch lange nicht geschafft“Hochschulangehörige engagieren sich für Flutopfer

HSPV-Mitarbeiterin Susanna Gerngreif-Bast hilft zusammen mit vielen Freiwilligen in den betroffenen Gebieten.
HSPV-Mitarbeiterin Susanna Gerngreif-Bast hilft zusammen mit vielen Freiwilligen in den betroffenen Gebieten.

Vor rund sechs Monaten hat die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz über 130 Todesopfer gefordert, viele Existenzen zerstört und finanziellen Schaden in Milliardenhöhe verursacht.

Auch Studierende, Lehrende und Mitarbeitende der HSPV NRW waren persönlich oder im nahen Umfeld betroffen; die Studienorte in Gelsenkirchen und Hagen wurden zum Teil beschädigt. Via Website bekundeten die HSPV NRW und die Präsidiumsmitglieder ihr Mitgefühl und gewährten daraufhin einen bis zu dreitägigen Sonderurlaub, um eigene Schäden zu beseitigen oder anderen zu helfen.

HSPV-Präsident Martin Bornträger, dessen Familie in der Region Euskirchen selbst von der Flut betroffen war, ist es wichtig, die Menschen vor Ort so gut es geht zu unterstützen: „Die Katastrophe ist nicht überstanden. Alle Beteiligten werden noch Jahre daran arbeiten, die Regionen wiederaufzubauen.“ Es sei daher entscheidend, weiterhin Zeichen zu setzen. Daher griff das Präsidium die Idee von Mitarbeiter André Habbecke auf und prüft derzeit, ob ausrangiertes Mobiliar aus den Studienorten gespendet werden kann. „Ich wünsche mir, dass auf diesem Wege einige Spenden zusammenkommen und den vielen Betroffenen – Schulen, Kitas, Privatpersonen – den Weg zurück in den Alltag leichter machen.“

Zwei Mitarbeitende berichten von ihren Eindrücken

André Habbecke und Susanna Gerngreif-Bast, HSPV-Mitarbeitende am Studienort in Köln, haben sich in den vergangenen Monaten als Freiwillige in den betroffen Gebieten engagiert. Sie berichten von ihren Eindrücken und erzählen, warum es so wichtig ist, weiterhin zu helfen. 

„Sowas habe ich noch nicht gesehen“, fasst André Habbecke, Medienwart am HSPV-Studienort in Köln, seine Eindrücke zusammen. Über zehnmal habe er als Freiwilliger im Ahrtal geholfen. Auf die Idee sei er gekommen, als er beim Wandern eine betroffene Person kennengelernt habe. „Anstatt nächstes Wochenende wieder wandern zu gehen, wollte ich dann lieber helfen. Alles andere hätte sich falsch angefühlt.“ Ein Bild, was Habbecke nicht mehr losließe, sei eines, was sich ihm an seinem ersten Tag bot: Kilometerlange und meterhohe Abfälle, die sich entlang einer dreispurigen Bundesstraße aus Autos, Bäumen, Elektrogeräten und anderen Gegenständen stapelten. „Mittendrin ein tonnenschwerer Transporter, der wie ein Spielzeugauto auf dem Kopf stand.“

Habbecke sei an seinem ersten Tag aufgefallen, dass ein Mann ihn immer wieder neu begrüßte – als würde er ihn gerade erst kennenlernen. „Es stellte sich heraus, dass der Mann seine Brille verloren hat. Und vielen anderen ging es genauso“. Daraufhin organisierte er Ersatzbrillen. „Die passten zwar nicht hundertprozentig, aber das funktionierte erstmal.“ Das gleiche galt für Medikamente und andere nützliche Dinge. „Einfach alles wurde weggespült. Kleine und große, persönliche und wichtige Gegenstände.“ Sie machten Platz für Müll, Fäkalien, Tierkadaver und anderen Unrat, der in die Keller und Wohnungen gespült wurde. Eine Aufgabe war es folglich gewesen, die Häuser frei zu machen. „Wir standen mittendrin in dreckigem und stinkigem Gewässer. Den Geruch habe ich noch heute in der Nase.“ Froh sei er, dass er helfen konnte, auch wenn es teilweise nicht einfach war. „Diese Solidarität hat mich einfach mitgerissen. Das war etwas ganz Besonderes und ist nicht in Worte zu fassen. Wenn man abends zusammensaß und den Tag zusammen verarbeitet hat – da hat das Feierabendbier für mich eine ganz neue Bedeutung bekommen.“ 

Stemmarbeiten gehören zu den wesentlichen Aufgaben.
Über 60 Brücken sind von dem Hochwasser betroffen.
Die Verwüstung in den Straßen und Gärten ist enorm.

Dass es noch immer an so vielem fehle, bestätigt auch Susanna Gerngreif-Bast, Studierendenberaterin am HSPV-Studienort Köln. „Nicht nur helfende Hände, auch offene Ohren werden vor Ort dringend gebraucht.“ Im Swiss- und anschließend im Ahrtal habe sie Fliesen aus Küchen rausgehauen, Putz von den Wänden abgeschlagen und Müll aus den überschwemmten Gärten weggeschmissen. Aber auch viele Gespräche habe sie mit Betroffenen und Freiwilligen geführt. „Wichtig war mir, Mut zu machen und den Betroffenen zu zeigen, was man schon geschafft hat. Und wenn es nur kleine Veränderungen waren.“ An ein Gespräch mit einer betroffenen Frau, etwa Mitte 50, kann sie sich gut erinnern. Die Frau zeigte auf ein Nachbarhaus. „Sehen Sie das Haus dort? Da wohnte der XXX. Der ist jetzt weg.“ Dass sie damit meinte, dass er von der Flut erfasst wurde, begriff Gerngreif-Bast erst im nächsten Moment. „Das zeigte mir, dass dort nicht nur leere Häuser stehen, sondern dass sich viele traurige Geschichten dahinter verbergen. Aber auch, mit welcher Stärke und Abgeklärtheit die Betroffenen mit dieser Situation umgehen.“
 

Helfen war nie einfacher

Was Habbecke und Gerngreif-Bast aufgefallen ist: Die Flutkatastrophe ist längst kein Tagesgespräch mehr. Immer wieder bahnen sich zwar vereinzelt Nachrichten ihren Weg in die breite Öffentlichkeit, aber das vermittele einen falschen Eindruck von der Lage vor Ort. „Ich würde mir wünschen, dass wieder mehr Aufmerksamkeit auf die Schicksale gelenkt wird“, sagt Habbecke. „Bei manchen greift die Versicherung nicht, die stehen vor dem Nichts. Und gerade in den kalten Monaten wird dringend Hilfe benötigt, denn viele haben noch keinen Strom.“ Für Gerngreif-Bast war Helfen nie einfacher. Man müsse sich nur hinbegeben. „Vor Ort sind Teams, alles ist gut organisiert. Wer hat, kann Werkzeug mitbringen, ansonsten wird man gut ausgestattet, auch mit FFP2-Masken, Verpflegung und einer Tetanusimpfung. Shuttles fahren Gruppen in die Gebiete, weil es keine Brücken und Wege gibt. Und einmal angekommen, hilft man dann, wo man gerade gebraucht wird.“

Ihr Engagement

Wer sich engagieren möchte, hat vielfältige Möglichkeiten. Noch immer werden vor Ort Freiwillige benötigt: als Helferin/Helfer, an der Hotline, als Fahrerin/Fahrer, medizinisches Personal oder in der Verpflegung. Aber auch Sachspenden in Form von Werkzeug sind stark gefragt.