Interkulturelle Öffnung der VerwaltungHintergründe und Perspektiven
Welche Ziele sind mit der interkulturellen Öffnung der Verwaltung verbunden? Wie kann man sich einen entsprechenden Organisationsentwicklungsprozess vorstellen?
Gegenwärtig leben in der Bundesrepublik Deutschland rund 21,9 Mio. Menschen mit einem Migrationshintergrund, was einem Anteil von ca. 26,7 % der Bevölkerung entspricht (Destatis, 2021). Die damit einhergehende kulturelle Diversität markiert einen erheblichen demografischen Wandel.
Interkulturelle Öffnung als praxisorientiertes Strategiekonzept findet sich erstmals in den 1990er Jahren, und zwar ursprünglich im Bereich der sozialen und pädagogischen Arbeit. Maßgeblich waren hier vor allem die von Hinz-Rommel Mitte der 1990er Jahre erarbeiteten „Empfehlungen zur interkulturellen Öffnung sozialer Dienste“. Allerdings sollte die interkulturelle Öffnung schon aus damaliger Perspektive nicht auf die sozialen Dienste beschränkt bleiben, sondern für weite Bereiche öffentlicher Organisationen gelten.
Der interkulturellen Öffnung vorgeordnet, aber auch über sie hinausgehend, ist die interkulturelle Orientierung. Diese lässt sich als eine Strategie zur Initiierung speziell dem Prinzip der Gleichheit verpflichteter demokratischer Prozesse begreifen. Während sich sowohl die interkulturelle Orientierung als auch die interkulturelle Öffnung auf die institutionelle Ebene beziehen, betrifft die interkulturelle Kompetenz die personale Ebene.
Einen Überblick über wesentliche Unterscheidungsmerkmale gibt die nachfolgende Tabelle (nach Handschuck & Schröer, 2012; gekürzt und modifiziert).
Institutionelle Ebene | Personale Ebene | |
---|---|---|
Veränderungsperspektiven | Interkulturelle Orientierung und Öffnung | Entwicklung interkultureller Kompetenz |
Normative Grundlagen | Anerkannte Gleichheit | Anerkannte Vielfalt |
Methodische Ansätze | Organisations- und Qualitätsentwicklung | Personalentwicklung |
Instrumente | Monitoring, Berichtswesen, Controlling, Evaluation | Fortbildung, Supervision, Coaching, kollegiale Beratung |
Anknüpfungspunkte | Strukturen: Funktion, Wesen und Auftrag der Organisation, Organisationskultur | Individuen: Rolle, interpersonale Begegnung, Arbeitsauftrag, Identität, Identifikation |
Widerstände | Beharrungsvermögen von Organisationen, Abwehr von Veränderungen, „Dominanzkultur“ | Angst vor Fremdheit, Abwehr oder Idealisierung von Vielfalt |
Strategien | „Dramatisierung“ von strukturellen Benachteiligungen, Inklusion in Strukturen | „Entdramatisierung“ von individuellen Besonderheiten, lebensweltliche Integration |
Interkulturelle Öffnung ist letztlich ein Gegenentwurf zum traditionellen, auch alltagssprachlich verankerten Verständnis von Integration, das im Wesentlichen Assimilation, also Anpassung an eine dominante Kultur meint, aber die (organisationalen) Strukturen unverändert lässt (Handschuck & Schröer, 2012).
Die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) hat bereits im Jahr 2008 ein Konzept für die interkulturelle Öffnung einer Kommunalverwaltung entwickelt. Es umfasst sieben (idealtypische) Schritte, die in ähnlicher Weise auch auf andere Verwaltungsorganisationen übertragbar sein dürften:
In einer Linie mit dem vierten Schritt stehen in der praktischen Umsetzung der interkulturellen Öffnung der Verwaltung meist zwei Ziele im Vordergrund (Otten, 2019): Zum einen soll die Anzahl der Beschäftigten mit Migrationshintergrund in allen Beschäftigungsbereichen und auf allen Hierarchieebenen erhöht werden. Zum anderen soll die interkulturelle Kompetenz der Beschäftigten entwickelt werden.
Als ein Beispiel gelungener interkultureller Praxis auf kommunaler Ebene kann etwa die Stadt Nürnberg dienen, deren Personalmanagement eine explizit diversitätssensible Ausrichtung erfahren hat (Riedel, 2021). Auch für die Landesregierung NRW ist die interkulturelle Öffnung ein zentrales Thema, wie in der Landesinitiative „Erfolgsfaktor Interkulturelle Öffnung – NRW stärkt Vielfalt!“ sowie in der Integrations- und Wertschätzungskampagne #lchDuWirNRW zum Ausdruck kommt.
Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage, wie es um die interkulturelle Öffnung der HSPV NRW steht, gerade auch jenseits der im vorletzten Newsletter-Beitrag beleuchteten Studierendenperspektive. Eine fundierte Einschätzung hierzu dürfte ohne eine umfangreichere Erhebung – auf anonymer und freiwilliger Basis, etwa im Rahmen einer Mitarbeitendenbefragung – nicht zu treffen sein. Dass dies, trotz ernstzunehmender Kritik (Stichwort „Othering“), ein sinnvolles Unterfangen sein könnte, wurde bereits im letzten Newsletter-Beitrag angedeutet.