DiversitätNeumodischer Kram oder konkreter Nutzen?

Der Begriff Diversität begegnet uns seit einigen Jahren regelmäßig, wenn es um das Zusammenleben und -arbeiten in der Gesellschaft geht. Was genau wird darunter verstanden?

„Diversität (auch Diversity; engl.: Vielfalt, Verschiedenheit) bezieht sich darauf, dass Personen sich hinsichtlich bestimmter Eigenschaften und Gruppenzugehörigkeiten voneinander unterscheiden (bzw. ähneln) oder dass eine Gruppe oder Organisation sich aus verschiedenen Personen zusammensetzt, die beispielsweise unterschiedlichen Berufsgruppen, Altersgruppen oder Geschlechtern angehören.“ (Mazziotta et al., 2016, S. 5)

Deutschlands Bevölkerung ist unbestreitbar divers. Dabei zeigt sich diese Diversität in vielen Facetten. Gardenswartz & Rowe (2008) ordnen diese Facetten in vier Dimensionen:
 

  1. Im Kern steht die individuelle Persönlichkeit. Niemand wird bestreiten, dass sich Menschen hinsichtlich ihrer Persönlichkeit unterscheiden. 
     
  2. Zu den inneren Dimensionen gehören Alter, Geschlecht, nationale oder ethnische Herkunft, körperliche Fähigkeiten, sexuelle Orientierung und Religion. Diese sechs Faktoren werden auch als die „Big 6“ des Diversity Managements bezeichnet.
     
  3. Als äußere Dimensionen werden Facetten wie Einkommen, Wohnort, Familienstand, Gewohnheiten und Freizeitverhalten bezeichnet.
     
  4. Als vierte Ebenen können organisationale Dimensionen betrachtet werden. Hierbei geht es um die jeweilige Funktion einer Mitarbeiterin, ihre Einstufung, die Art des Arbeitsverhältnisses, Abteilung und Arbeitsort.


Deutschland gilt heute als plurale Gesellschaft. Das war nicht immer so. Vor ca. 70 Jahren war ethnische Vielfalt kaum vorhanden, und auch in religiöser Hinsicht gab es eine große Einheitlichkeit. Heutige Treiber der Diversität hinsichtlich Nationalität, ethnischer Herkunft und Religion sind unter anderem Globalisierung, demographischer Wandel und wachsende räumliche Mobilität.

Bezüglich des Alters, Geschlechts, körperlicher Fähigkeiten und sexueller Orientierung war Diversität hingegen schon immer vorhanden, aber es wurde akzeptiert, wenn männliche, heterosexuelle Personen mittleren Alters sowie ohne Behinderung bevorzugt in gesellschaftliche, politische und organisationale Schlüsselpositionen gelangten.

Angehörige benachteiligter Gruppen machten sich nach und nach bemerkbar, forderten Chancengleichheit und wurden dabei von gesetzlichen Regelungen mehr oder weniger unterstützt. Obwohl das Grundgesetz seit 1949 Diskriminierung ausschließt, dauerte es noch bis zum Jahr 2006, bis das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz eine konkrete Handhabe bot.

Mit dem Begriff Diversity Management verbinden wir heute den wertschätzenden Umgang mit Vielfalt in Organisationen, der vom Personalbereich unterstützt wird. Das beginnt schon bei der Auswahl und Einstellung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es gibt kaum eine Stellenanzeige, in der nicht darauf hingewiesen wird, dass Frauen sowie Personen mit Schwerbehinderung bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt werden. Zudem werden Personen mit Einwanderungsgeschichte aufgefordert, sich zu bewerben, auch wenn sie keine bevorzugte Position bei der Einstellung einnehmen.

Neumodischer Kram oder konkreter Nutzen? Tatsächlich wurde gut erforscht, ob Vielfalt Teams wirklich nutzt. Als Mythos wurde sowohl die These entlarvt, dass diverse Teams per se erfolgreicher sind als Arbeitsgruppen mit geringer Diversität, als auch die Annahme, alles sei nur Schnickschnack und ohne Effekt.

In Abteilungen mit viel Kundenkontakt kann es von Vorteil sein, wenn Kundschaft und Serviceteam sich ähneln. Ähnlichkeit schafft Sympathie, und ein einheitliches Verkaufsteam kann manche Kundinnen und Kunden möglicherweise nicht erreichen. Dies gilt auch in der Verwaltung und bei der Polizei, wo man jeweils mit einem Querschnitt der Bevölkerung zu tun hat.

Ganz besonders effektiv sind diverse Teams, die in ihrer Vielfalt auf die jeweilige Teamaufgabe zugeschnitten sind. Kann es funktionieren, wenn männliche Produktentwickler ein Produkt kreieren, das überwiegend von Frauen angewendet wird? Kann die neue Niederlassung in Brasilien von einem Team aufgebaut werden, in dem niemand portugiesisch spricht? Wohl kaum. Zudem sind diverse Teams oft kreativer, weil durch mehr Facetten leichter Anregungen und dadurch Inspirationen entstehen.

Was aber, wenn eine Aufgabe gar keine Diversität benötigt? Durch die Unterschiedlichkeit von Teammitgliedern können Spannungen und Konflikte auftreten, die die Leistungserbringung erschweren. Maßnahmen wie Teambuilding-Workshops und die Förderung individueller Konfliktfähigkeiten wirken dem entgegen. 

Nicht nur Organisationen, sondern auch Gesellschaften sind bestrebt, ihre Diversität zu nutzen. So finden sich auf den ersten Plätzen des Human Development Index vorwiegend Einwanderungsländer wie Kanada, die USA, Australien und Neuseeland oder Länder mit einem hohen Migrationsanteil wie die Schweiz, Norwegen oder Deutschland. 

  • Gardenswartz, L., & Rowe, A. (2008). Diverse teams at work: Capitalizing on the power of diversity. Alexandria, VA: Society for Human Resource Management.
  • Mazziotta, A., Piper, V. & Rohmann, A. (2016): Interkulturelle Trainings. Ein wissenschaftlich fundierter und praxisrelevanter Überblick. Wiesbaden: Springer Fachmedien.