Rassismus an HochschulenWie weltoffen sind Hochschulen wirklich?
Wie Hochschulen rassismusfreie Räume werden können
Rassismus ist auch an Hochschulen ein existierendes Phänomen. Hochschulen gelten zwar als einerseits weltoffene Orte, die Universität Düsseldorf beispielsweise belegt das damit, dass Menschen aus 130 Nationen an ihren Instituten lehren und lernen. Andererseits hat gerade die Wissenschaft zur Verbreitung des gesellschaftlichen Rassismus beigetragen, indem sie im 18. und 19. Jahrhundert Begründungen geliefert hat, die benötigt wurden, um Menschen abzuwerten und zu diskriminieren. Aus heutiger Sicht sind die damals entwickelten Theorien zwar nicht mehr haltbar, aber in vielen Köpfen immer noch präsent. Dies zeigt sich zum Beispiel im heutigen Sprachgebrauch, wenn über „rote“ sowie „gelbe“ Menschen gesprochen wird.
Als im Jahr 1962 der erste schwarze Student an der University of Mississippi studierte, mussten 30.000 Soldaten eingesetzt werden, um entstandene Unruhen zu befrieden.1 In Deutschland gab es zwar bereits 1727 mit Anton Wilhelm Amo2 einen schwarzen Studierenden an der Universität Halle, der als Kind aus seiner Heimat im heutigen Ghana verschleppt worden war. Dies bedeutet aber nicht, dass Rassismus an deutschen Hochschulen früh überwunden wurde. Im Gegenteil – dieser drückte sich zum Beispiel dadurch aus, dass der deutsch-jüdische Psychologe Hugo Münsterberg im Jahr 1897 einen Ruf als Professor in Harvard annehmen musste, weil ihm aus antisemitischen Gründen keine entsprechende Position in Deutschland angeboten worden war.3
Heute können in Deutschland alle Menschen an Hochschulen lehren und studieren, die die Eingangsvoraussetzungen erfüllen. Aber ist dadurch der Zugang wirklich für alle gleich? Nachweislich erhalten Kinder mit Migrationshintergrund seltener eine Empfehlung für das Gymnasium und oft bei gleichen Leistungen schlechtere Noten. Was das für ihren Numerus Clausus und damit für ihre Chancen bei der Wahl von Studienfach und -ort bedeutet, liegt auf der Hand. Und auch im Studium erleben sie Benachteiligungen. Nicht zu vergessen sind auch Burschenschaften, die in den altehrwürdigen Universitätsstädten ihren studentischen Mitgliedern Vorteile verschaffen und die nicht selten offen fremdenfeindlich agieren. Dies musste auch der deutsche Student Kai-Ming Au erleben, der Mitglied einer Mannheimer Burschenschaft war, die von der „Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn“ aus offen formulierten fremdenfeindlichen Gründen dazu gedrängt wurde, den Dachverband der Deutschen Burschenschaften zu verlassen – und das im Jahr 2011. Begründung: Es sei „nicht hinnehmbar, dass Menschen, welche nicht von deutschem Stamme sind, in die Deutsche Burschenschaft aufgenommen werden.“4
Auch Lehrbücher sind nicht von Rassismus verschont. Ein Beispiel sind die Lehrbücher der Dermatologen, die viele Abbildungen enthalten, die fast ausschließlich weiße Patienten zeigen. Wie sich aber eine Rötung oder ein Ausschlag auf schwarzer Haut darstellen, war lange Zeit nicht der wissenschaftlichen Literatur zu entnehmen, bis im Jahr 2020 der Londoner Medizinstudent Malone Mukwende eine Internet-Plattform5 erstellte, die diesen Mangel behob. Bis dahin konnten Patienten mit schwarzer Hautfarbe nachweislich schlechter versorgt werden.
Ist denn der Zugang zu Promotionsstellen, den Positionen im akademischen Mittelbau sowie zu Professuren in Deutschland für alle in gleicher Form möglich? Dies ist zu bezweifeln. Aus vorgenannten Gründen gibt es ein Unterangebot an geeigneten Bewerbenden. Und vermutlich werden diejenigen, die sich auf eine der raren Positionen bewerben, durch bestehende Stereotype und verzerrte Wahrnehmungen in den Auswahlkommissionen benachteiligt. Wir haben zwar hohe Standards bei der objektiven Auswahl geeigneter Kandidatinnen und Kandidaten sowie das Prinzip der Bestenauslese, aber es ist nicht auszuschließen, dass Benachteiligungen sich auch hier einschleichen. Und ein Mechanismus, der diese Benachteiligung ausgleicht, so wie es für Menschen mit Behinderungen und weibliche Bewerberinnen existiert, die bei gleicher Qualifikation bevorzugt eingestellt werden, existiert in diesem Bereich (noch) nicht.
Nicht zu vergessen sind natürlich auch die zahlreichen Sprüche, Bemerkungen und „Witze“, die sowohl von Dozierenden als auch von Studierenden gemacht werden, und die einen rassistischen Beigeschmack aufweisen. Auch in Fallbeispielen, Übungen und Klausuren können sich rassistische Stereotype widerspiegeln. Studierenden mit Migrationshintergrund fallen diese häufig stärker auf als Mitgliedern der Mehrheitsgesellschaft.
Hochschulen sind keine rassismusfreien Räume. Aber Sie persönlich können mit dazu beitragen, dass sie es werden. Ein angemessenes Feedback auf eine flapsige Bemerkung ist ein guter Anfang.
1 Kippenberger, S. (2013): Bürgerkrieg um einen Studenten. (https://www.tagesspiegel.de/wissen/james-h-meredith-erster-schwarzer-an-der-uni-mississippi-buergerkrieg-um-einen-studenten/8640168.html)
2 Bloch, W. (2020): Der erste Schwarze Philosoph Deutschlands. (https://www.zeit.de/kultur/2020-09/anton-wilhelm-amo-philosoph-rassismus-mohrenstrasse-berlin)
3 Nerdinger, F.W. (2019): Geschichte. In: F.W. Nerdinger, G. Blickle & N. Schaper: Arbeits- und Organisationspsychologie, 4. Auflage, S. 19-27.
4 Bielicki, J. (2011): Deutscher als deutsch. (https://www.sueddeutsche.de/karriere/streit-um-burschenschaften-deutscher-als-deutsch-so-muessen-mitglieder-sein-1.1109916)
5 Mukwende, Malone: Mind the Gap (https://www.blackandbrownskin.co.uk/mindthegap)