Interview zum Studienstart„Wir wollen zurück zur Normalität – mit Vor- statt Nachsicht“

Martin Bornträger, Präsident der HSPV NRW
Martin Bornträger, Präsident der HSPV NRW

Martin Bornträger, Präsident der HSPV NRW, über die Coronaschutzverordnung, deren Auswirkung auf den Hochschulalltag, die „3-G-Regel“ und persönliche Einschätzungen

  • Herr Bornträger, aufgrund landesweit niedriger Inzidenzwerte und der deutlich abnehmenden Zahl schwerer Krankheitsverläufe, hat das Land NRW die Coronaschutzverordnung angepasst. Was sind die wesentlichen Neuerungen?

    Das Land NRW hat mit der „Inzidenzstufe 0“ einen Weg zurück zur Normalität eröffnet. Diese Stufe gilt in Kreisen und kreisfreien Städten, die seit mindestens fünf Tagen eine Sieben-Tage-Inzidenz von zehn oder weniger aufweisen. So entfallen in den Regionen der „Inzidenzstufe 0“ beispielsweise die Kontaktbeschränkungen und auch die Einhaltung des Mindestabstands wird weitgehend nur noch empfohlen.

    Angesichts der Virusvarianten gibt es eine neue Regelung zum Testen, gerade im Hinblick auf die anstehenden Reise- und Urlaubsaktivitäten: Beschäftigte ohne vollständigen Impfschutz oder Genesenen-Nachweis, die nach dem 1. Juli 2021 mindestens fünf Tage aufgrund von Urlaub oder ähnlichen Abwesenheiten nicht gearbeitet haben, müssen nach der Rückkehr am ersten Tag an ihrem Arbeitsplatz ein negatives Testergebnis vorweisen oder vor Ort einen Test durchführen. Krankheits- oder Homeoffice-Zeiten lösen keine Testpflicht aus.

     
  • Wie geht es im kommenden Studienjahr weiter?

    Die Inzidenzzahlen und die neue Coronaschutzverordnung erlauben einen vorsichtig optimistischen Blick in Richtung Normalität. Wir planen, ab dem neuen Studienjahr wieder in die Vollpräsenz zu gehen. Unter Normalität verstehe ich dabei, dass wir unter Sicherheitsvorkehrungen Präsenzlehre anbieten und uns vor Ort wieder persönlich mit Kolleginnen und Kollegen, Studierenden und Lehrenden austauschen können.

     
  • Welche Maßnahmen ergreift die HSPV NRW, um den Hochschulalltag künftig sicherzustellen? Wie lange sollen die Maßnahmen noch gelten?

    Der Gesundheitsschutz hat an unserer Hochschule nach wie vor eine hohe Priorität. Das heißt, dass wir die bisherigen Regelungen beibehalten, wie beispielsweise das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf den Parkplätzen und auf den Verkehrsflächen bis zum Kursraum oder bis zum Arbeitsplatz. Bei Formaten, in denen Personen unterschiedlicher Kurse zusammen sind, gilt auch im Kursraum und am Platz durchgängig Maskenpflicht, da dort eine Durchmischung stattfindet und somit ein höheres Risiko besteht. Für die hauptamtlich Lehrenden und die Mitarbeitenden in der Verwaltung beschaffen wir derzeit neue Stoffmasken, die dem Anspruch FFP2 genügen und sieben Monate einsetzbar sind. Außerdem werden für die Studierenden sehr dünne und daher sehr angenehme antivirale Masken zur Abholung zum Start des Studienjahres bereitliegen.

    Wir bitten alle Beteiligten zudem darum, die Räume regelmäßig zu lüften und drauf zu achten, dass die Hochleistungsraumlüfter angeschaltet sind. Darüber hinaus werden wir der Maßgabe der „3-G- Regel“ folgen. Das bedeutet im Einzelnen: Genesene und geimpfte Personen können unter Mitführung eines entsprechenden Nachweises die Hochschule ohne weitere Vorkehrungen betreten. Personen, die nicht unter die oben genannten Gruppen fallen, haben ein negatives Testergebnis mit sich zu führen, das nicht älter als 48 Stunden sein darf.

     
  • Wieso hat sich die Hochschule für diesen Weg entschieden?

    Wir haben lange überlegt, wie eine sichere und für alle Studienorte einheitliche Lösung aussehen könnte, um den Studienbetrieb auch bei steigenden Inzidenzzahlen aufrechterhalten zu können. Die „3-G-Regel“ schien uns hier sehr vernünftig und praktikabel.

    Darüber hinaus verfügen etliche unserer Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitenden bereits über einen Impfschutz. Ich hoffe, dass sich in den nächsten Wochen noch möglichst viele für eine Impfung entscheiden, denn dies ist und bleibt bislang der wirksamste Schutz.

     
  • Wie ist Ihre persönliche Einschätzung zur aktuellen Gratwanderung zwischen Lockerungen und Pandemiegeschehen?

    Ich finde es schwierig hier verbindliche Aussagen zu treffen, denn zum Glück ist die Lage in Deutschland derzeit relativ entspannt und die Inzidenzwerte bewegen sich auf niedrigem Niveau. Allerdings hatten wir im letzten Sommer eine ähnliche Situation und im Herbst gingen die Zahlen plötzlich wieder steil nach oben. Wenn wir ins Ausland, beispielsweise nach Russland oder England, blicken, nimmt die Zahl der Neuinfektionen und der schweren Erkrankungsfälle gerade dramatisch zu.

    Interessant wird es aus meiner Sicht für uns, wenn die Menschen aus dem Urlaub zurückgekehrt sind und der Herbst anbricht. Dann sehen wir, wo wir stehen. Zum Glück haben wir in diesem Jahr den Vorteil, dass fast die Hälfte der Bevölkerung durchgeimpft ist und damit das Risiko der schweren Erkrankungsfälle abnimmt. Unter unseren Studierenden sind im Bereich der Polizei sogar bereits 90 % und im Bereich AV/R ca. 70 % geimpft.

    Trotz aller Zuversicht und dem Wunsch nach einem normalen Leben, sollten wir alle weiterhin wachsam und vorsichtig bleiben – denn die Pandemie ist noch nicht vorbei.

     
  • Gibt es auch positive Dinge, die Sie aus der Krise mitnehmen? Welche Lerneffekte, Chancen und Lehren ergeben sich für Sie aus der Krise?

    Durch die Pandemie hat die Digitalisierung insgesamt einen enormen Schub erhalten, auch an unserer Hochschule. Noch vor zwei Jahren wäre es nur schwer vorstellbar gewesen, dass wir flächendeckend und in Vollzeit Homeoffice und Online-Lehre anbieten. Hier haben wir uns – auch dank des großen Engagements aller Beteiligten – technisch und inhaltlich enorm weiterentwickelt.

    Die vergangenen Monate haben zudem gezeigt, dass Online-Lehrformate funktionieren und eine Bereicherung unseres Lehrangebotes sein können. Um die positiven Potenziale in der Zukunft sinnvoll nutzen zu können, müssen jedoch die didaktisch-methodischen Möglichkeiten im Studienalltag erprobt und weiterentwickelt werden. Hierzu läuft derzeit ein „Pilotprojekt“, bei dem die Studienorte bis zu 25 % ihrer Lehre für synchrone und asynchrone Online-Formate nutzen und in die Präsenzlehre einbetten können. Anschließend wird bewertet, was gut funktioniert und was nicht. Uns ist wichtig, dass die angebotene Online-Lehre technisch und didaktisch gut gemacht ist, denn Präsenzformate lassen sich nicht einfach eins zu eins auf digitale Lehre übertragen.

    Darüber hinaus gehören Videokonferenzen heute zu unserem Alltag, was für eine dezentrale Hochschule wie die HSPV NRW sehr praktisch und bereichernd ist. So kann man relativ kurzfristig und unkompliziert Menschen aus unterschiedlichen Studienorten für Besprechungen oder Veranstaltungen ohne weite Anreisen zusammenbringen.

    Das hat auch dazu geführt, dass einige Hochschulbereiche, die vor der Krise nicht so eng zusammengearbeitet haben, durch die Pandemie und die Krisenkommunikation in ständigem Austausch miteinander standen und dadurch näher zusammengerückt sind.

    Zudem berichten viele Kolleginnen und Kollegen, dass sie sich in der Krise, durch Homeoffice und Videokonferenzen, zum Teil noch einmal anders kennengelernt haben – auch weil Privatleben und Arbeit nicht mehr so stark voneinander getrennt waren. Insgesamt hat sich die Flexibilisierung in Bezug auf Homeoffice und mobiles Arbeiten als sehr günstig erwiesen, wovon wir als Hochschule auch weiterhin profitieren möchten.

     
  • Wie geht es in den nächsten Wochen und Monaten an der HSPV NRW weiter? Wie ist Ihr Ausblick?

    Selbstverständlich behalten wir die Pandemieentwicklung weiter im Blick. Wir befinden uns nach wie vor in einer sehr dynamischen Lage. Sollte sich also in den nächsten Wochen zeigen, dass wir die beschlossenen Maßnahmen anpassen müssen, werden wir entsprechend handeln und alle Beteiligten umgehend informieren.