Didaktisch - PraktischDidaktische Funktionen und Gestaltung von Aufgaben in der Lehre
Audio: 13:32 | 12 MB
Aufgaben zielgerichtet stellen und didaktisch sinnvoll in der Lehre einsetzen
In dieser Folge unseres Podcasts beschäftigen wir uns mit den didaktischen Funktionen und der Gestaltung von Aufgaben in der Lehre. Wir geben Ihnen einen ersten Einblick in die didaktischen Funktionen von Lern- und Leistungsaufgaben und erläutern, welche Rolle Lernzieltaxonomien und der Grad der Offenheit beim Einsatz und bei der Gestaltung von Aufgaben spielen: Didaktisch – Praktisch.
Weiterführende Literatur und Links:
- Center for Teaching and Learning: Aufgabenstellungen. Infopool besser lehren. Universität Wien, Juni 2018.
- Pädagogische Hochschule Luzern: Erklärvideo LUKAS-Modell, September 2020.
- Päda.logics: Taxonomiestufen nach BLOOM. Ausbildungsmethoden - Methodik und Didaktik für Lehrbetriebe.
Musik (CC-BY-NC):
Broken Bones Boogie by Stefan Kartenberg feat. Martijn de Boer (NiGiD)
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Herzlich willkommen zum Podcast „Didaktisch – Praktisch“, dem hochschuldidaktischen Podcast der HSPV NRW. Wir sind Nadine Kwelik und Bettina Rohwetter vom Zentrum für Hochschuldidaktik, E-Learning und Medien. In dieser Podcast-Folge werden wir uns mit den didaktischen Funktionen und der Gestaltung von Aufgaben in der Lehre beschäftigen.
Warum machen wir das?
Nun, Aufgaben erfüllen wichtige Funktionen in der Lehre und sind somit ein wichtiger Bestandteil von Lehre. Mit Aufgaben können Studierende aktiviert, Lernprozesse angeregt oder überprüft und Ergebnisse gesichert werden. Das sind ziemlich viele und sehr unterschiedliche Funktionen, die Aufgaben abdecken können. Aus diesem Grund möchten wir in dieser Folge die lernförderliche Gestaltung und den didaktisch sinnvollen Einsatz von verschiedenen Aufgabentypen in Lehrveranstaltungen besprechen.
Wir möchten Ihnen in dieser Folge zunächst einen ersten Einblick in die didaktischen Funktionen von Lern- und Leistungsaufgaben geben und beispielhaft erläutern, welche Rolle Lernzieltaxonomien und der Grad der Offenheit bei der Aufgabengestaltung spielen – und zwar didaktisch – praktisch.
Lehrveranstaltungen zielen in ihrer Konzeption auf bestimmte Lern- und Kompetenzziele ab; das bedeutet, dass die Lehr-Lern-Aktivitäten einer Lehrveranstaltung danach ausgewählt werden, was die Studierenden nach Besuch der Veranstaltung wissen und können sollen – sowohl mit Blick auf Prüfungen als auch auf die spätere Berufspraxis. Lehrende stellen also in der Regel nicht einfach nur Wissen und Inhalte bereit, sondern unterstützen Studierende aktiv und steuern ihren Lernprozess mithilfe von Lehr-Lern-Aktivitäten, die oft Aufgaben beinhalten. Aber Aufgabe ist nicht gleich Aufgabe!
Funktionen von Aufgaben
Im Kontext von Lehre können Aufgaben verschiedene didaktische Funktionen erfüllen. Hierbei ist zunächst die Unterscheidung von Lern- und Leistungsaufgaben wichtig.
Lernaufgaben haben in erster Linie das Ziel, Studierende beim Aufbau von Wissen und Fähigkeiten zu unterstützen. Sie stellen für Lehrende ein zentrales Gestaltungselement für Lehrveranstaltungen dar und können helfen, Lernprozesse bei den Studierenden zu aktivieren und gezielt zu steuern. Durch die Bearbeitung von Aufgaben setzen sich die Studierenden tiefer mit den Lerninhalten auseinander und führen aktiv Handlungen hierzu aus, durch die sie ihre Kompetenzen entwickeln und erweitern können.
Lernaufgaben dienen also der Kompetenzentwicklung. Dabei steuert die Lehrperson den Lernprozess, indem sie Aufgaben zielgerichtet konstruiert und auswählt, um den Studierenden das Erreichen der angestrebten Lern- und Kompetenzziele zu ermöglichen.
Auch Lernaufgaben selbst können dabei nochmal in unterschiedliche Typen unterteilt werden, die jeweils ganz unterschiedliche Funktionen haben. So setzen Konfrontationsaufgaben beispielsweise den Kompetenzerwerb in Gang, indem Lernende mit einem kognitiv aktivierenden Problem, Phänomen oder Ereignis konfrontiert werden. Erarbeitungsaufgaben regen wiederum den Wissenserwerb selbst an und dienen dem Aufbau von Wissen und Fertigkeiten, während Transferaufgaben darauf abzielen, erworbene Kompetenzen mit Neuem zu verknüpfen und in unbekannten Situationen anwenden zu können. Dies sind nur drei von sechs verschiedenen Aufgabentypen zum Kompetenzerwerb, wie sie nach dem LUKAS-Modell unterschieden werden. Wenn Sie dieses Modell interessiert und Sie mehr über die verschiedenen Typen und Funktionen von Aufgaben wissen wollen, haben wir für Sie ein Video zu dem Modell in den Shownotes verlinkt.
Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, dass Studierende bei der Bearbeitung von Lernaufgaben auch Fehler machen dürfen, ohne dass sie negative Konsequenzen befürchten müssen. Aus Fehlern kann man bekanntlich lernen, und das ist nicht nur ein Sprichwort: Lernaufgaben ermöglichen den Studierenden anhand von lernförderlichen Rückmeldungen die richtigen Lerninhalte in ihren Lernprozess zu integrieren.
Bei Lernaufgaben, wie wir sie bisher beschrieben haben, steht also eine aktive Auseinandersetzung mit Lerninhalten im Fokus, mit dem Ziel, einen Lernprozess zu aktivieren, zu steuern und so eine zielgerichtete Wissens- und Kompetenzerweiterung bei den Studierenden zu erreichen. Zusätzlich sind auch das Sichern von Lernergebnissen und die Systematisierung von Wissen wichtige didaktische Funktionen von Lernaufgaben. Hierbei ist es das Ziel, bereits Gelerntes sinnvoll miteinander in Beziehung zu bringen und nachhaltig festzuhalten.
Im Gegensatz zu Lernaufgaben, die zur Kompetenzentwicklung Lernprozesse selbst aktivieren, steuern und sichern sollen, haben Leistungsaufgaben das Ziel, die Kompetenzen der Studierenden zu messen und so den Lernstand oder den Lernerfolg zu erheben.
Leistungsaufgaben kennt jeder. Sie werden meistens zum Beispiel in schriftlichen oder mündlichen Prüfungen angewendet, um den Lernstand der Studierenden zu bestimmen und anschließend die Leistungen zu bewerten.
Mit Leistungsaufgaben möchte man also herausfinden, ob und in welchem Ausmaß Lernende bereits über Wissen und Kompetenzen verfügen beziehungsweise inwieweit sie sich diese im Rahmen des Lernprozesses angeeignet haben.
Leistungsaufgaben geben sowohl Lehrenden als auch den Studierenden die Möglichkeit, den individuellen Lernstand zu erfassen. Sie ermöglichen – je nach didaktischer Einbettung – Lehrenden und Lernenden Rückschlüsse über Vorkenntnisse oder darüber, welche angestrebten Lern- und Kompetenzziele noch nicht erreicht wurden. So können Leistungsaufgaben beispielsweise auch zu Beginn einer Lehrveranstaltung eingesetzt werden. Hierbei können Lehrende sich ein Bild davon machen, ob die Studierenden bestimmte Inhalte oder Fähigkeiten bereits beherrschen oder diese aufgegriffen und wiederholt werden sollten. Auch innerhalb von Lehrveranstaltungen können Leistungsaufgaben eingesetzt werden, um den Lernstand zu einzelnen Lehreinheiten zu erheben und so den Studierenden und sich als Lehrperson die Möglichkeit zu geben, den Lernfortschritt zu reflektieren und den Lernprozess teilnehmerorientiert zu steuern.
Dennoch ist es wichtig sich bewusst zu machen, dass Lernaufgaben und Leistungsaufgaben mit Blick auf die Erreichung der Lern- und Kompetenzziele eng miteinander in Verbindung stehen: Lernaufgaben aktivieren, steuern und sichern den Lernprozess der Studierenden und dienen der Kompetenzentwicklung; Leistungsaufgaben erfassen den Lernstand beziehungsweise Lernerfolg der Studierenden und dienen somit der Kompetenzmessung – sowohl beim Einsatz innerhalb von Lehrveranstaltungen, als auch in Form von Prüfungen.
Anforderungsniveau von Aufgaben und Lernzieltaxonomien
Aufgaben können in ihrer Gestaltung und Zielsetzung sehr unterschiedlich anspruchsvoll sein: das kann von
Diese Ziele lassen sich, je nach Anforderungs- und Komplexitätsniveau, verschiedenen kognitiven Taxonomiestufen zuordnen. Die wohl gängigste Einstufungsübersicht, ist die Lernzieltaxonomie nach BLOOM; hier werden Lern- und Kompetenzziele hierarchisch nach logischen Kriterien in sechs unterschiedliche Stufen geclustert und mit hilfreichen Handlungsverben benannt. Weitere Infos hierzu, finden Sie in unseren Shownotes.
Wenn Lehrende Lehr-Lern-Aktivitäten und die darin enthaltenen Aufgaben für ihre Lehrveranstaltung planen, ist es sinnvoll sich zunächst zu fragen, welches Lern- und Kompetenzziel hierdurch erreicht werden soll und auf welcher Taxonomie- beziehungsweise Kompetenzstufe des Lernens dieses Ziel angesiedelt ist. Daran anschließend kann eine Lehr-Lern-Aktivität ausgewählt und eine Aufgabe so gestellt werden, dass der Lernprozess auf das Erreichen genau dieser Lern- und Kompetenzziele auf genau dieser Taxonomiestufe abzielt.
Grad der Offenheit
Ein weiterer Aspekt, über den Lehrende sich in Bezug auf Lernaufgaben Gedanken machen können, ist der Grad der Offenheit einer Aufgabe. Hier lassen sich mit geschlossenen, halboffenen und offenen Aufgaben drei Aufgabentypen unterscheiden. Durch diese Gestaltung unterscheiden sie sich in ihrer Komplexität und eignen sich deshalb unterschiedlich gut zum Erreichen von Lern- und Kompetenzzielen der verschiedenen Taxonomiestufen.
Aufgaben, bei denen eine bestimmte Antwort von den Lehrenden als Lösung erwartet wird und die Studierenden diese aus vorgegebenen Antwortmöglichkeiten wählen können, werden als geschlossene Aufgaben bezeichnet. Hierbei handelt es sich in der Regel um einfache Aufgaben im Bereich der unteren Taxonomiestufen, bei denen Wissen einfach reproduziert werden soll, wie zum Beispiel Multiple-Choice-Aufgaben und Lückentexte mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten.
Bei halboffenen Aufgaben erwartet die Lehrperson zwar bestimmte Antworten, gibt den Studierenden aber keine Antwortmöglichkeiten vor. Dieser Aufgabentyp ermöglicht im Vergleich zu geschlossenen Aufgaben bereits eher komplexe Aufgabenformen und erfordert ein vertieftes Verständnis von Problemen, wie es auf den mittleren Taxonomiestufen verlangt wird. Dies ist beispielsweise bei Freiantwortaufgaben der Fall, bei denen kurze und knappe Antworten gegeben werden sollen, oder bei Lückentexten, bei denen keine Antwortmöglichkeiten vorgegeben werden.
Als offene Aufgaben werden diejenigen Aufgaben bezeichnet, bei denen weder Antwortmöglichkeiten vorgegeben sind, noch bestimmte Antworten von der Lehrperson erwartet werden. Stattdessen können Studierende bei offenen Aufgaben wie Analyse-, Bewertungs- oder Gestaltungsaufgaben frei individuelle Lösungen erarbeiten, indem sie auf fächerübergreifendes Wissen und verschiedene Kompetenzen zurückgreifen. Offene Aufgaben fordern die Studierenden zur komplexen und kreativen Problemlösung auf und eignen sich deshalb für komplexe Aufgaben, deren angestrebte Lern- und Kompetenzziele auf den höheren Taxonomiestufen angesiedelt sind.
Fassen wir nochmal zusammen:
Aufgaben dienen einerseits in Form von Lernaufgaben der Aktivierung und Steuerung von Lernprozessen sowie der Sicherung und Verknüpfung von Wissen; sie sind somit ein Instrument der Kompetenzentwicklung und -erweiterung. Andererseits dienen Aufgaben in Form von Leistungsaufgaben als Instrument der Kompetenzmessung, mit dem der Lernstand beziehungsweise Lernerfolg der Studierenden erhoben werden kann und welches meistens zur individuellen Leistungsbeurteilung eingesetzt wird.
Welche Kompetenzstufe der Lernzieltaxonomie durch eine Aufgabe angesprochen wird, kann durch die Formulierung und Gestaltung einer Aufgabe bestimmt werden. Dies geschieht, indem Handlungsverben einer bestimmten Taxonomiestufe verwendet werden und ein Aufgabentyp ausgewählt wird, dessen Grad der Offenheit (also geschlossen, halboffen oder offen) zum angestrebten Lern- und Kompetenzziel passt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Auswahl und Gestaltung von Aufgaben zu Lehr-Lern-Aktivitäten, genau wie die Aktivitäten selbst, maßgeblich von den Lern- und Kompetenzzielen und der Prüfung zu einer Lehrveranstaltung abhängig sind. Denn darin wird nicht nur festgelegt, was die Studierenden wissen und können sollen, sondern auch welches Anforderungsniveau sie dabei erreichen sollen.
Und wie wir bereits zu Beginn gesagt haben; Aufgaben sind ein wichtiger Bestandteil von Lehre, aber: Aufgabe ist nicht gleich Aufgabe. Aufgaben können im Kontext einer Lehrveranstaltung unterschiedliche Funktionen erfüllen und sollten bewusst und didaktisch sinnvoll eingesetzt werden, um den Lernprozess der Studierenden zielgerichtet zu unterstützen und aktiv zu steuern.
Und damit möchten wir uns für heute von Ihnen verabschieden. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge von „Didaktisch – Praktisch“, dem hochschuldidaktischen Podcast der HSPV NRW.
Shownotes
Pädagogische Hochschule Luzern: Erklärvideo LUKAS-Modell, September 2020.