Kriminalitätsfurcht und Angsträume in Gelsenkirchen – Eine qualitative Erhebung der Risikoperzeption auf Stadtteilebene

Das Polizeipräsidium Gelsenkirchen und die Stadt Gelsenkirchen haben im September 2016 einen Kooperationsvertrag zur Verbesserung der Sicherheit in Gelsenkirchen geschlossen. Neben Maßnahmen zur Verbesserung der objektiven Sicherheitslage stehen solche zur Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bewohner im Vordergrund der vertraglichen Regelungen.

Mit Blick auf die Effektivität von Maßnahmen zur Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bewohnerinnen und Bewohner drängen sich folgende Fragen auf: Was genau beeinträchtigt das Sicherheitsgefühl im Alltag der Menschen? Was nehmen die Bewohner als Bedrohung ihrer Sicherheit wahr? Welche Rolle spielen sog. Incivilities – sichtbare Verfallserscheinungen des städtischen Raums – bei der Risikoperzeption? Unterscheiden sich die Stadtteile bezüglich des Sicherheitsgefühls ihrer Wohnbevölkerung und hinsichtlich der wahrzunehmenden Incivilities? Worin bestehen diese Unterschiede? Sind die hoch kriminalitätsbelasteten Stadtteile besonders betroffen?

 

Ziel

Ziel des geplanten Forschungsprojekts ist ein Beitrag zur Beantwortung o.g. Fragen. Hierzu soll eine umfangreiche und zugleich belastbare Datengrundlage zum Sicherheitsgefühl der Bewohner auf Ebene der Stadtteile, die für die effektive Ausgestaltung der Kooperation zwischen der Stadt und der Polizei Gelsenkirchen große Bedeutung hat, geschaffen werden.

 

Methode

Mit dem geplanten Forschungsprojekt sollen die Angsträume der Bewohnerinnen und Bewohner auf kleinräumlicher Ebene erfasst werden. Eingesetzt werden etablierte Methoden der qualitativen Sozialforschung: Zum einen sollen leitfadengestützte Interviews und Gruppendiskussionen mit Stadtteilbewohnerinnen und -bewohnern, Geschäftsbetreibenden und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ordnungsämter zu ihrer Risiko- und Sicherheitswahrnehmung geführt werden. Zum anderen werden in verdeckt teilnehmenden, systematischen Beobachtungen die Incivilities erfasst. Schließlich sollen ausgewählte Bewohnerinnen und Bewohner (Idealtypen nach dem Ergebnis der Interviews und Diskussionen) mit zur Verfügung gestellten Einwegkameras ihre Angsträume, denen sie in ihrem Alltag in Gelsenkirchen begegnen, dokumentieren. Durch den Einsatz der analogen Fototechnik wird eine höhere und intensivere Teilnahmebereitschaft auf Seiten der Studienteilnehmer erwartet. Der Verbindlichkeit, der ‚Arbeitsaufforderung’ nachzukommen und Bilder auf der Leihweise zur Verfügung gestellten Kamera abzuliefern, ist höher, als dies beispielsweise bei einer Aufforderung, auf dem privaten Smartphone aufgenommene Digitalbilder einzureichen, der Fall wäre. Die technikbedingten Einschränkungen der analogen Fotografie (insbesondere die Restriktion, dass Bilder nach der Aufnahme nicht unmittelbar kontrolliert oder später bearbeitet werden können) verhindern zudem eine unerwünschte Inszenierung der fotografierten Situationen und Orte und versprechen somit eine unverfälschte dokumentarische Momentaufnahme aus dem Blickwinkel der jeweiligen Fotografen darzustellen.

 

Die Datenerhebung/-auswertung erfolgt durch das Projektteam, unterstützt durch Studierende (KvD) der FHöV NRW im Rahmen eines Projektstudiums. Das Projektstudium grenzt sich von dem Forschungsprojekt durch die Konzentration auf die Umsetzung der wissenschaftlichen Ergebnisse in die kommunale Verwaltungspraxis ab. Hingegen fokussiert sich das Forschungsprojekt auf einen Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion über die Entstehung von Kriminalitätsfurcht auf kleinräumlicher Ebene. Daneben gibt das Forschungsprojekt mit dem innovativen Ansatz der Fotografie als Methode der qualitativen Datenerhebung im Zusammenhang mit der Entstehung von Kriminalitätsfurcht der Kriminologie des Visuellen, einer in Deutschland noch nicht sehr weit entwickelten Forschungsrichtung, einen wichtigen Impuls.